Iivo Pantzar, der Herren U19 Nationaltrainer, blickt auf die Weltmeisterschaft in Hamburg zurück. Er spricht von einem außergewöhnlichen Teamgeist, großen Vorurteilen und einem tollen Publikum. Nicht zuletzt stellt er die Frage, warum es am Ende in der Verlängerung das Happy End nicht für die deutsche Mannschaft gab. Ein toller Blick zurück.

„Am Sonntag, den 12. Mai, haben wir bei der Herren U19 Weltmeisterschaft in Hamburg das B-Finale gegen Polen verloren. Für alle Beteiligten fühlt es sich umso schmerzvoller an, dass das Finale in der Verlängerung verloren wurde. Die Stimmung nach dem Spiel und nach dem gesamten Turnier war verständlicherweise getrübt. Aber inzwischen geht es allen wieder besser.
Denn nun ist die Zeit gekommen, eine umfangreiche Analyse der Turniervorbereitung, welche im Herbst 2011 begann, vorzunehmen. Was haben wir richtig gemacht? Was lief falsch? Wir haben standen immerhin im Finale. Warum haben wir gegen Polen verloren? Dies sind nur einige Fragen, die es wert sind, eine genaue Analyse zu erstellen.
„Mit meinen Vorurteilen lag ich daneben,“ Iivo Pantzar.
Ich kann mich noch genau an unsere erste Zusammenkunft in Wernigerode erinnern. Da standen wir also: zwei Finnen und etwa 20 junge deutsche Floorballspieler. Jeder war ein bisschen aufgeregt. Die Situation war auch für mich neu, doch ziemlich schnell habe ich bemerkt, wie motiviert jeder Spieler war. Ich muss zugeben, dass ich anfangs etwas misstrauisch bezüglich des Niveaus der Spieler war, doch ziemlich schnell wurde ich positiv vom Gegenteil überrascht und musste einsehen, dass ich mit meinen Vorurteilen daneben lag.
Unser WM-Ziel war von Beginn an Gold. Der Gewinn der B-Division und der damit verbundene Aufstieg in die A-Division. Die U19-Nationalmannschaft hatte schon zweimal zuvor in einem Finale der B-Division gestanden, aber beide Male verloren. Wir wollten es dieses Mal besser machen. Unser Ziel war hoch gesteckt und zeugte von Ehrgeiz. Auch deshalb musste ich ständig die Wichtigkeit der harten Trainingseinheiten unterstreichen.
Vor den ersten Länderspielen im Herbst 2012 hatten wir vier Trainingslager. Gegen Polen konnten wir zweimal knapp gewinnen, zwei Monate später erreichten wir zudem ein Unentschieden und einen knappen Sieg gegen Dänemark. Der finale Kader für die WM wurde nach dem Polish Cup im Februar 2013 nominiert. Beim Polish Cup bestritten wir fünf Spiele in drei Tagen. Wir wollten, dass sich die Mannschaft gegenseitig vertraut und einen Stolz für das Spielen in der deutschen Nationalmannschaft entwickelte. Diesen Willen konnten wir schnell erkennen. Im letzten Spiel des Turniers haben wir nur 7:13 gegen Tschechien verloren.
Im Mai begann dann endlich die Weltmeisterschaft im eigenen Land. Zuvor hatten wir noch ein kurzes Vorbereitungslager, bei dem wir zum Beispiel über die Bedeutung des Teamgeists und der Harmonie innerhalb der Mannschaft gesprochen haben. Wir haben auch über die einmalige Chance, die die Heim-WM bietet, diskutiert. Während meiner 13-jährigen Trainerlaufbahn habe ich noch nie zuvor eine ähnliche Atmosphäre in einer Mannschaft verspürt. Dieses Gemeinschaftsgefühl, welches in den zehn Tagen in Hamburg zustande kam, habe ich noch nicht erlebt.
Ich wusste, dass der Turnierstart eine schwierige Herausforderung sein würde. Die deutsche Mannschaft war für die meisten der große Favorit, vor allem für das Heimpublikum. Die Nervosität hielt zum Glück nur ein Drittel an. Danach konnten wir Slowenien im Auftaktspiel mit 8:1 besiegen. Im zweiten Spiel gegen starke Esten hat unser Team ausgezeichnet funktioniert und mit 11:3 gewonnen. Deutschland stand nun als Gruppensieger fest, im letzten Gruppenspiel gegen Kanada gab es eine 3:7-Niederlage.
Die nächste Herausforderung stand im Halbfinale an: Ungarn. Nach einer 5:1-Führung schien alles sicher, doch drei schnelle Gegentore brachten unseren Gegner wieder auf 5:4 heran. Ein Glück, dass dies die letzten Tore im Spiel waren und wir damit im Finale standen.
Vor dem Finale gegen Polen hatte ich absolutes Vertrauen in mein Team. Ich habe daran geglaubt, dass wir eine sehr gute Chance haben, gegen Polen zu gewinnen, doch die ersten zehn Minuten haben wir schwach agiert und zwei Gegentreffer kassiert. Im Floorball bedeuten zwei Tore Rückstand nichts und das wussten auch unsere Jungs. So konnten wir uns nach 60 Minuten durch eine motivierte und taktisch kluge Herangehensweise noch an ein 2:2-Unentschieden herankämpfen. Während der Verlängerung dann der Schock: Polen gelang der „goldene“ Treffer.
Nach dem verlorenen Finale war die Stimmung auf dem Tiefpunkt. Doch wir haben mehrere gute und spannende Spiele vor einem großartigen Publikum abgeliefert! Aber die Mannschaft hat das hohe Ziel, den B-WM-Titel und den Aufstieg, nicht erreicht. Die Stimmung war zudem etwas nostalgisch, weil die Weltmeisterschaft das wohl letzte Turnier dieser Mannschaft war.
Ziel: Stärkster Herausforderer der Top-4-Nationen
Wie werden die Zukunftsaussichten des deutschen Floorballs sein? Ich erkenne in Deutschland eine sehr gute Entwicklung. Dazu beigetragen hat sicherlich auch der vierte Platz der Herren-Nationalmannschaft bei der WM 2012 in Zürich.
Wie werden die wichtigsten Entwicklungsstrategien im Nachwuchsbereich aussehen, wenn man konstant unter den besten acht Teams der Welt im Herren- wie auch im Juniorenbereich mitspielen möchte? Der erste Schritt sollte es sein, das fünftbeste Team hinter den „Großen“ Schweden, Finnland, Schweiz und Tschechien zu werden. Auch im U19-Bereich haben wir gute Voraussetzungen in den nächsten Jahren der stärkste Herausforderer der Top-4-Nationen zu werden.
Der Aufstieg in die Spitzengruppe wird anstrengend und mit viel Arbeit verbunden sein. Wichtige Punkte werden der Anstieg von lizensierten Spielern und eine hohe Motivation sich zu entwickeln sein. Es ist kein Problem, dass Deutschland bei der U19-WM 2015 in der B-Division spielt. In zwei Jahren haben wir die Chance zu beweisen, dass unser Niveau weiter gestiegen ist.
Es wird sehr wichtig sein, die Trainingskonzepte weiterzuentwickeln, das heißt die Trainingsintensität und -quantität muss steigen. In Finnland ist es zum Beispiel nicht außergewöhnlich, wenn der Nachwuchs 8-10 Stunden pro Woche trainiert. Außerdem gibt es Konditionstraining etc. Es ist wichtig, die erreichten Veränderungen des hochwertigen und vielseitigen Trainingsprogramms zu verstehen.
Wichtig wird es zudem sein, motivierte deutsche Floorballtrainer zu finden und auszubilden. Es ist selbsterklärend, dass mehr Trainingsstunden auch einen größeren Bedarf an Trainern bedeutet. Ein erster Anfang könnte die organisierte Entwicklung einer Trainerausbildung sein.

Dank für erstklassige Unterstützung

Ich hatte während der letzten zwei Jahre viel Freude dabei, ein Akteur in der Entwicklungsarbeit des deutschen Floorballs zu sein. Es war für mich eine große Ehre. Sehr gerne würde ich diesen Weg weiter bestreiten.
Ich möchte allen Spieler, Teamleitern, Trainern, Physiotherapeuten und Betreuern, die mit mir gemeinsam das WM-Projekt angenommen haben, danken. Zum Schluss danke ich auch allen anderen deutschen Floorballern für eine erstklassige Unterstützung während des Projekts und der Weltmeisterschaft in Hamburg.“
Iivo Pantzar,
Cheftrainer U19-Nationalmannschaft