Das große Ziel hat die Damen-Nationalmannschaft erreicht, sie ist im Dezember bei der WM in Finnland dabei. Mit einem 1:0 gegen Estland und einem 3:1 gegen die Niederlande war die Qualifikation beim Turnier in Posen nach den ersten beiden Spielen erreicht, doch die Damen zahlten auch Lehrgeld. Mit ein paar Tagen Abstand zieht Bundestrainer Simon Brechbühler im Interview für floorball.de ein gemischtes Fazit.
 

Simon, wenn man die Resultate anschaut, war die WM-Qualifikation doch ein hartes Stück Arbeit. Vor allem im ersten Spiel gegen die Estinnen hat sich die Mannschaft doch schwerer getan als erwartet, oder?
Wenn du vor dem Turnier weißt, du musst das erste Spiel gewinnen, und der letzte Wettkampf über ein Jahr her ist, dann baut sich hoher Druck auf.  An sich haben wir gut gespielt, doch wir müssen uns vorwerfen, im Abschlussverhalten wirklich schwach gewesen zu sein. Das lag auch an den schwierigen Bodenverhältnissen, aber das betraf alle Teams gleichermaßen. Immerhin haben wir das Spiel zu null gewonnen, unsere Defensive stand über die volle Spielzeit sehr sicher.
Gegen die Niederlande lief es im zweiten Spiel zunächst auch nicht rund, 0:0 nach dem ersten Drittel – deine Gesichtsröte sprach für sich. Was hat dich so geärgert?
Die Tatsache, dass wir den Plan der Niederländerinnen kannten und auch eine Lösung parat hatten, diese jedoch die ersten 20 Minuten überhaupt nicht umgesetzt haben. Da musste ich in der Drittelpause etwas deutlich werden. Im zweiten Drittel spielten wir dann zehn Minuten das, was wir uns vorgenommen haben – und schon fallen drei Tore. Danach haben wir wieder abgebaut. Die taktische Disziplin muss also noch viel bewusster eingehalten werden.
Nach den beiden Siegen war die Quali geschafft, der Druck damit weg. Dafür gab’s dann im dritten Spiel gegen Weltmeister Schweden eine 2:17-Packung. Das sieht auf dem Papier nicht schön aus, aber wirklich unzufrieden warst du nach dem Match nicht, oder?
Wenn man das Resultat sieht, dann kann man denken, dass es ein schlechtes Spiel war. Dass wir verlieren, war schon vor dem Anpfiff praktisch unvermeidlich. Die Frage war nur, auf welche Art und Weise. Die anderen Gegner haben einfach ihr Tor zugemauert. Das hat jedoch wenig mit Floorball zu tun. Uns war wichtig, dass wir unser System durchziehen und versuchen, zumindest phasenweise mitzuspielen. Das ist uns ganz gut gelungen. 22 Abschlüsse gegen Schweden – das muss eine andere Nation erstmal schaffen. Das Brutale ist,  wenn du gegen Schweden einen Fehler machst, dann knallt‘s im eigenen Kasten.
Was hätte man denn gegen die übermächtigen Schwedinnen noch besser machen können?
Wir wissen, dass wir noch nicht eingespielt sind. Bei einer offensiven Spielweise müssen viele Details klappen, auch in der Defensive. Uns unterliefen noch zu viele kleine Fehler – jedoch haben wir auch gesehen, dass wir auf fast jeden Fehler eine Lösung oder Antwort kennen. Gerade gegen eine Top-Mannschaft muss vor dem Tor noch cleverer agiert werden, um die wenigen Chancen zu nutzen. Taktisch machen wir viel richtig – technisch gibt’s Mängel, an denen wir arbeiten müssen.
Im letzten Spiel gegen Polen hat die Mannschaft die ersten Minuten total verschlafen und lag rasch 0:4 zurück. War da die Luft schon raus aus dem Turnier, weil es für beide um nichts mehr ging? Die Polinnen kamen damit offenbar besser zurecht.
Ganz ehrlich, ich weiß es nicht, woran es lag. Dass die Polinnen sehr heiß waren, wussten wir. Dass wir viel ausprobieren wollten, wurde uns wohl zum Verhängnis. Vielleicht sind wir zu blauäugig ins Spiel gestartet. Ich denke, dass man mit jungen Teams immer wieder solche Phasen im Spiel hat, in denen es nicht so läuft. Die Polinnen nutzten diese Phase eiskalt aus. Unser Team hat aber Charakter bewiesen und sich zurückgekämpft. Im letzten Drittel waren wir taktisch das bessere Team – aber 20 gute Minuten reichen gegen einen solchen Gegner nicht.
Welche Lehren und Erkenntnisse ziehst du als Trainer aus diesen vier Spielen?
Den Grund für unsere Schwächen dürfen wir nicht nur in dieser Woche suchen. Wir sind mit einem sehr jungen Team angetreten und wussten, dass wir damit etwas riskieren. Die teilweise nicht überzeugenden Resultate darf man nicht überbewerten, wenn man bedenkt, dass das halbe Team durch einen Magen-Darm-Infekt zeitweise flachlag. Wir haben bewiesen, dass wir individuell über gute Einzelspielerinnen verfügen und uns nicht vor unseren Gegnern verstecken müssen. Ein entscheidender Unterschied zu Polen, Norwegen und Lettland ist, dass unsere Spielerinnen im Schnitt fünf Jahre jünger sind. Deshalb müssen wir mutig und frech bleiben, das ist unsere einzige Chance. Auch ist mir bewusst, dass wir vor der WM wieder mehr Spiele brauchen, um uns an das höhere Niveau zu gewöhnen. Leider ist diese Herausforderung riesig, da die finanzielle Belastung für unsere Spielerinnen immens ist. Die fehlende Bundesliga bei den Damen trägt auch nicht dazu bei, dass die Trainings- und Spielsituation einer jeden einzelnen Spielerin besser wird.
Die WM findet im Dezember statt, also in etwa zehn Monaten. Woran müsst ihr vor allem arbeiten, um dem Anspruch gerecht zu werden, eines der acht besten Teams zu sein?
Jede Spielerin muss weiter individuell an sich arbeiten und alles dem Sport unterordnen. Wir müssen jeden Tag den Anspruch haben, noch besser zu arbeiten und noch härter zu trainieren. Vor allem technisch müssen wir auf den nächsten Level kommen.
 
Wird es noch nennenswerte Veränderungen im Kader geben oder steht das Team mehr oder minder fest?
Wir werden eine neue Sichtung machen und ich gehe davon aus, dass wir danach im Schnitt wieder etwas älter sein werden. Veränderungen stehen also durchaus an, die Tür ist offen.
 
Interview: Toni Maier